Bernard und Julienne waren einfach reizende Gastgeber. In ihrem alten Herrenhaus findet sich so manches antikes Schätzchen und unser Hausherr sammelt mit Leidenschaft Zinnsoldaten der napoleonischen Armeen sowie manch andere Kuriositäten. Fürs Abendessen war der kleine Salon sehr, sehr ansprechend eingedeckt und Julienne’s Kochkünste waren der Hammer. Als Vorspeise gab´s einen leckeren Salat mit Avocado und Pate, dann eine wunderbar zart rosa gebratene Entenbrust mit Kartoffelgratin und der Käse bzw. die Schneeeier mit Vanille-Karamelsauce waren köstlich. Madame hatte ihre Freude an unserem gesunden Appetit und Bernhard sorgte dazu für immer volle Weingläser. Als Betthupferl gab´s noch einen kleine „Willi“ und wenig später schliefen wir schon selig in unserem Turmzimmer.
Nach der gestrigen Völlerei fiel das Frühstück zum Glück etwas kleiner aus und nach einer ganz dicken Umarmung und Verabschiedung geht es gegen 8.00 Uhr Richtung Estaing. Laut Wetterbericht erwarten wir heute mehr wie 30 Grad und so bleibt für den schönen Wochenmarkt in Espalion wenig Zeit. Die Marktstände sind voll mit reifen Kirschen, saftigen Orangen und knackigem Gemüse, es gibt aber auch Unmengen von Käse, Brot und Fleisch zu kaufen. Feilschen ist hier nicht und nach dem wir uns mit reichlich Proviant eingedeckt haben, geht´s auf öden Teerstraßen durch die Vororte stadtauswärts zur wunderschönen Chapelle Saint-Pierre-de-Bessuéjouls aus dem 11. Jh.. Die aus dunkelrotem Sandstein erbaute Kirche liegt in einem engen, verwunschenen Tal und ist absolut sehenswert. Der karolingischen Altar mit Motiven des Erzengels Michael ist beeindruckend, aber auch hier gibts leider keinen Pilgerstempel und so kraxeln wir unmittelbar hinter dem kleinen Weiler steil hoch nach Briffoul.
Wir ahnen nichts Böses, als uns ein altes Mütterchen ein beherztes „Bon Courage“ zuruft aber hinter der nächsten Wegkehre bleibt uns die Spucke weg. Der Pfad wird extrem steil, der Lehmboden ist durch den nächtlichen Regen schmierig und die Wurzel/Felsstufen sind brutal hoch. Wir rutschen, keuchen und fluchen, aber trotz den vielen kleinen Verschnaufpausen sind wir am Gipfel echt geschafft. Also Pause und nach einer kurzen Erholung geht´s auf dem Hochplateau bei herrlichem Sonnenschein und prächtiger Aussicht weiter, bis uns ein kleiner Pfad wieder hinunter zum Fluss Lot und ins mittelalterliche Dörfchen Verriéres führt. Die nächsten 3 Kilometer Verkehrsstraße entlang des Lot bis nach Estaing sind einfach nur öde. Das Städtchen selbst erreichen wir über die jahrhundertalte gotische Steinbrücke (16 Jh.) und sind überrascht von den vielen Tagestouristen und Pilgern, die anscheinend hier alle zu Mittag rasten.
Die Cafés und Kneipen sind rappelvoll und mit viel Glück finden wir ein freies Plätzchen. Hans-Josef und Karina sind auch schon da und so erfahren wir, dass einige Pilger auf Grund gesundheitlicher Probleme (Knie, Bänder, Sprunggelenk) das Abenteuer Jakobsweg schon abbrechen mussten. Welch ein Pech und so ist unser oberstes Gebot sich für die nächsten schweren Kilometer nach Golinhac gut zu stärken. Das dick belegte Schinkenbaguette und die Cola sollten reichen und nach einer ausgiebigen Pause wandern wir für die nächsten Stunden durch einen lichten Bergwald immer aufwärts bis nach Les Glassiéres. Bei 30 Grad und mehr ist eine stetige Flüssigkeitszufuhr enorm wichtig und somit kehren wir auf einen Kaffee (Kuchen gabs leider keinen) in einem kleine Chambres im Dorf Fonteilles ein. Hans-Josef und Karina schließen sich uns natürlich sofort an und unter den schattigen Kastanien schmeckt der Kaffee in solch netter Gesellschaft gleich doppelt gut. Die letzten Kilometer auf mal wieder geteerten Flurstraßen ziehen sich wie Kaugummi und nach einer dramatischen Hunderettungsaktion (das Tier war vollkommen dehydriert und wir opferten unser letztes Trinkwasser) erreichten wir nach 9 Stunden Gehzeit endlich unser Ziel, das Chambres La Lantette in Golinhac.